Viele Jahre galten Transistoren in Gitarrenverstärkern als billige und schlecht klingende Imitate der guten alten Röhrentechnik, dennoch haben sich Transistoren inzwischen durchgesetzt. Dank ausgefeilter Schaltungen verstärken Transistor-Gitarrenverstärker heute eine Vielzahl von Gitarren auf den Bühnen dieser Welt. Im Gegensatz zum allgemeinen Trend, wo die Röhrentechnik in elektronischen Geräten nahezu komplett in Vergessenheit geraten ist, stehen gute alte Röhrenverstärker bei Gitarristen und Bassisten nach wie vor hoch im Kurs. Es gibt inzwischen nur noch eine sehr übersichtliche Anzahl von Herstellern, die Röhren bauen, sie sind wesentlich teurer als Transistoren oder Chips und die Technik ist wesentlich störungsanfälliger. Was macht die Röhre so anders für den Gitarristen?
Kurz gesagt - es ist der Klang! Im Gegensatz zu HiFi-Technik darf und sollte auch der Gitarrenverstärker den Klang des Signals verändern. Der sonst so gefürchtete Effekt, wenn ein Signal übersteuert und dadurch verzerrt wird, macht beim Gitarrenverstärker den charakteristischen Sound aus. Und genau in diesem Übersteuerungsbereich (unabhängig davon, ob in der Vorstufe oder in der Endstufe) verhalten sich Röhren anders als Transistoren. Da Röhrenverstärker ein einfacheres Schaltungsdesign haben, reagieren diese auch schneller als Transistoren auf das Signal. Röhren werden mit viel höheren Spannungen angesteuert. Und ein weiterer Vorteil: Aufgrund des gutmütigen Übersteuerungsverhaltens wird Röhrenverstärkerleistung nahezu doppelt so laut empfunden, wie Transistorleistung.
Gitarristen sehen ihren Gitarrenverstärker meist als eigenes Instrument. Der klassische Rocksound entsteht sowohl in der Röhren-Vorstufe als auch in der Röhren-Endstufe in Interaktion mit den Lautsprechern (und auch hier treten Verzerrungen auf). Der physikalischer Effekt ist, dass hohe Pegel zur Lautsprecherspule geschickt werden und der Pegel je nach Auslenkung der Lautsprechermembrane wieder elektromagnetisch beeinflusst wird. Da der Lautsprecher nur einen begrenzten Teil des Pegels in Schallenergie umsetzt, geht ein Teil dieser Energie wieder zurück zur Endstufe - der Verstärker beginnt zu verzerren. Zur Endstufenverzerrung kommt es also nur ab einer gewissen Gesamtlautstärke.
Beim klassischen Metalsound ist eher die Vorstufenverzerrung gefragt. Das Signal wird hier stärker komprimiert und die Endstufe kann mit mehr Headroom einen definierten Sound liefern.
Einige Hersteller sind dazu übergegangen, sogenannte Hybridverstärker zu bauen, um wenigstens in der Vorstufe eine Röhrenschaltung zu integrieren. Der angezerrte Sound wird dann in der Endstufe mit einem Transistorverstärker auf Pegel gebracht. Andere Hersteller simulieren oder modellieren den Röhrensound mit DSP Schaltungen. Die Ergebnisse können sich inzwischen hören lassen - oft ist ein guter modellierter Sound nicht mehr vom Original zu unterscheiden. Zudem können über diese Technik auch verschiedene "Röhrenverstärker - Typen" simuliert werden. So hat man beim Kauf eines guten Modellingverstärkers gleich eine Auswahl von verschieden "Röhrenverstärkern" und deren charakteristischen Sound.
Im günstigen Einsteigerbereich dominieren heute Transistorverstärker den Markt. Auch wenn sie nicht überall beliebt sind, liefern sie ordentliche Ergebnisse und angesichts des Preises ein überragendes Preis-/Leistungsverhältnis.
Ambitionierte Gitarristen schätzen den Sound der teuren Röhrentechnik und leben damit, dass ihr Röhrenverstärker für den charakteristischen Sound ab und zu auch mal neue Röhren benötigt, um wieder "frisch" zu klingen. Sie wissen, dass ihr Verstärker "sauschwer" ist (zuzüglich einer amtlichen Gitarrenbox) und dass der Amp empfindlicher ist.
Die experimentierfreudige Masse dazwischen hat sich mit dem Kompromiss aus Transistorschaltung und Röhrenvorstufe bzw. mit Modellingverstärkern angefreundet.
Weitere Informationen zu Gitarrenverstärkern finden Sie im Online-Ratgeber: Röhrentopteile