Zum Seiteninhalt

6. Rund um die Saiten

Die Saiten eines Streichinstruments sind für den Klang genauso wichtig wie die anderen Teile des Instruments. Mit der Saite wird der Ton erzeugt, sie beginnt zu schwingen und diese Schwingungen werden auf den Resonanzkörper übertragen. Der zunächst sehr leise Ton wird verstärkt und dann nach außen abgestrahlt. In Wirklichkeit ist das alles natürlich noch wesentlich komplizierter, denn die Schwingungen werden über den Steg auf die Decke übertragen, über den Stimmstock auf den gesamten Korpus und mithilfe des Bassbalkens über die Decke verteilt. Letztendlich schwingt aber nicht nur der Korpus mit, sondern auch das Griffbrett, der Hals, die Wirbel und der Saitenhalter. Sie alle schwingen und können sich gegenseitig positiv beeinflussen oder aber auch bei der Klangerzeugung behindern.

Zunächst einmal kann man die Streichersaiten in drei große Gruppen einteilen. Zugrunde liegen dafür die entsprechenden Kern-Materialien, aus denen eine Saite aufgebaut ist. Das sind die Darmsaiten, die Kunststoffsaiten und die Stahlsaiten. Auch da gibt es dann wieder jede Menge Abstufungen und Unterschiede, was im Folgenden näher erläutert wird. Welche Saite ist die richtige für mein Instrument? Das ist die entscheidende Frage, die man sich erst mal stellen wird. Die Auswahl bei den Saiten für Streichinstrumente ist inzwischen ungeheuer groß geworden, immer wieder kommen neue Saiten auf den Markt, entweder irgendwelche Variationen bekannter Saiten für bestimmte Anforderungen oder völlig neue Saitentypen. Dieser Ratgeber soll ein bisschen Licht in den Dschungel bringen, aber um es gleich vorweg zu sagen: es gibt kein Standardrezept, mit dem man die ideale Saite für sein Instrument findet. Jedes Streichinstrument ist individuell in seinem Resonanzverhalten und manchmal muss man einfach mal einen Satz Saiten nehmen und ausprobieren, ob sie zu dem gewünschten Ergebnis führen. Es gibt aber wohl bei den verschiedenen Saitentypen gewisse Merkmale, an denen man sich bei der Auswahl orientieren kann.

Darmsaiten

Traditionell werden Streichersaiten aus dem Darm von Huftieren hergestellt, vornehmlich sind das Schafe aus kargen und trockenen Gegenden. Der Darm wird in Streifen geschnitten, gedreht, getrocknet und dann geschliffen. Diese blanken Darmsaiten gibt es heute auch noch, sie werden jedoch nur noch für die Besaitung von historischen Barockinstrumenten und für die authentische Aufführungspraxis "Alter Musik" verwendet. Die Darmsaiten, die heute auf dem Markt sind, haben eine Umspinnung, d. h. sie sind mit einem metallischen Material umsponnen (umwickelt). Durch die Umspinnung des Saitenkerns wird die Masse erhöht, die Saite wird also schwerer und klingt damit tiefer. Ohne diese Umspinnung wäre die Saite bei einer bestimmten Stimmlage wesentlich dicker. Man könnte es auch anders formulieren: mit der Umspinnung lassen sich wesentlich dünnere Saiten herstellen, ohne dass die Elastizität und Handhabbarkeit dadurch beeinträchtigt wird. Die Umspinnung beeinflusst auch die Klangeigenschaften erheblich. Dazu später noch mehr. Darmsaiten haben in der Regel einen relativ weichen und warmen Klang, sind allerdings sehr empfindlich gegenüber Temperaturschwankungen und reagieren auf eine Änderung der Luftfeuchtigkeit. Sie haben die Eigenschaft Wasser aus der Luft anzuziehen (Hygroskopie) und fangen an, zu quellen. Dadurch wird die Spannung verringert. Auch die Einspielzeit, das heißt die Zeitspanne, bis die Saite die Stimmung hält, kann bei Darmsaiten ein bis drei Tage dauern. Die Lebensdauer ist beschränkt, Profis wechseln die Saiten alle ein bis zwei Monate, im Normalfall halten sie jedoch etwa ein Jahr. Darmsaiten besitzen einen kraftvollen Ton, sind angenehm zu greifen, besitzen eine natürliche Elastizität und lassen sich differenziert ansprechen. Als Umspinnung wird bei Darmsaiten meistens Aluminium oder Silber verwendet. Wie auch bei den anderen Saitentypen gibt es hier unterschiedliche Stärken, zum Beispiel "weich, mittel, stark" oder "dolce, medium, forte". Auch dazu später noch mehr.

Saiten mit einem Kunststoffkern

Die Bezeichnung Kunststoffsaiten ist ein bisschen irreführend, denn blanke Kunststoffsaiten werden für Streichinstrumente nicht verwendet. Man kennt solche Saiten wahrscheinlich von der Besaitung klassischer Gitarren (e, h, g). Das, was aus Kunststoff hergestellt wird, ist der Saitenkern, der dann anschließend mit einem Mantel eines Metalls umsponnen wird. Dafür werden verschiedene Materialien verwendet, ähnlich wie bei den Darmsaiten, wodurch die Dicke der Saite und die Klangeigenschaften beeinflusst werden. Die mit Silber umsponnenen Saiten werden meistens für die tieferen Saiten verwendet, sie besitzen einen eher kräftigen und warmen Ton. Beim Kunststoff selbst gibt es verschiedene Materialien, sehr bekannt sind Nylon, Perlon oder Polyester. Auch besonders widerstandsfähige Materialien aus der Raumfahrttechnik kommen zum Einsatz. Eine Kunststoffsaite hat vom Klangverhalten her gewisse Ähnlichkeiten mit einer Darmsaite (obgleich sie deren charakteristische Eigenschaften nie ganz erreicht hat). Die Saiten mit Kunststoffkern sind inzwischen aber so ausgereift, dass sie vom Anfänger bis zum Virtuosen Verwendung finden. Auch für die verschiedensten Musikstilrichtungen sind die Kunststoffsaiten hervorragend geeignet. Gegenüber Darmsaiten haben sie einer Reihe von Vorteilen: sie halten die Stimmung sehr gut und sie sind unempfindlich gegenüber Temperatur- und Luftfeuchtigkeitseinflüssen. Sie besitzen einen Klang, der meistens als rund, klar, weich und obertonreich beschrieben wird. Vom Greifverhalten her sind sie relativ weich und die Möglichkeiten zur Klangmodulation sind sehr gut. Die Einspielzeit ist sehr unterschiedlich und kann, je nach Saitentyp, relativ kurz sein, aber auch etwas länger dauern.

Stahlsaiten

Stahlsaiten kennt man eher von den Zupfinstrumenten her. Bei den Streichinstrumenten kommen bei vielen Musikern eher negative Assoziationen auf, was teilweise berechtigt ist, aber nicht immer zutrifft. Die Stahlsaiten haben eine Eigenschaft, die bei den Zupfinstrumenten erwünscht ist: sie klingen lange nach. Und genau diese Eigenschaften will man bei Streichinstrumenten vermeiden. Deswegen haben billige Stahlsaiten auch so einen unangenehm metallischen Klang. Das Nachklingen der Saiten kann durch eine gezielte Dämpfung des Stahlkerns unterdrückt werden. Diese Dämpfung wird einerseits durch die Umspinnung mit einem Metalldraht oder -band erreicht, andererseits durch eine darunter liegende geflochtene Schicht aus Seiden- oder Kunststofffäden. Das Rohmaterial des Stahlsaitenkerns besteht aus einem besonderen Tiegelgussstahl, der über Ziehsteine und Ziehdiamanten dünner gezogen und dabei verdichtet wird. Die erste Saite aus Stahl, die sich bei der Violine durchgesetzt hat, war die blanke E-Saite. Die Akzeptanz war hier einfacher zu erreichen, weil es immer wieder Probleme mit den dünnen E-Darmsaiten gab, die sehr leicht rissen. Inzwischen ist die E-Saite aus Stahl bei der Violine Standard geworden, auch bei einer Besaitung mit Darmsaiten. Die E-Saite kann allerdings auch eine Umspinnung haben, wodurch sie sich etwas angenehmer greifen lässt und manchmal besser zu den restlichen Saiten passt. Vorteilhaft bei den Stahlsaiten ist die Stimmungsstabilität und die lange Lebensdauer. Stahlsaiten werden sehr gerne für Anfänger und für den Unterricht verwendet. Sie zeichnen sich durch einen kräftigen Klang aus, sind allerdings bei den preiswerteren Modellen oftmals auch eher hart und metallisch. Diese einfachen und preiswerten Stahlsaiten besitzen einen Vollstahlkern, während die qualitativ hochwertigeren Saiten einen Seilstahlkern (Kabel) oder einen Feinseilstahlkern besitzen. Seilstahlkern-Saiten sind vom Klang her kräftig, weich, und sonor und werden gerne für die Viola und das Violoncello genommen. Feinseilstahlkern-Saiten sind noch etwas weicher und damit besser greifbar, und mit dem kräftigen, runden und ausgewogenen Klang genügen sie auch hohen Ansprüchen.

Unterschiedliche Stärken

Streichersaiten werden in unterschiedlichen Stärken angeboten, wobei die Stärkenangaben unterschiedlicher Hersteller nicht unbedingt miteinander vergleichbar sind. Gängige Bezeichnungen für unterschiedliche Stärken sind: "weich, mittel, stark" oder "dolce, medium, forte" oder "light, medium, heavy". Eine dünne Saite kommt vom physikalischen Schwingungsverhalten her einer Idealsaite am nächsten. Sie hat eine gute Ansprache und ist sehr obertonreich, vom Klang her ist sie wegen der geringen Masse allerdings eher leise. Bei einer stärkeren Saite ist die Ansprache eventuell schlechter, sie hat jedoch eine größere Klangfülle. Stärkere Saiten empfehlen sich bei einem niedrigen Steg, bei dickeren Wandstärken des Instruments sowie bei einer hohen Deckenwölbung. Man kann das mit den Saiten, die auf dem Instrument aufgezogen sind, auch ganz leicht ausprobieren, in dem man die Saiten etwas herunterstimmt. Gefällt dann der Klang besser, kann man dünnere bzw. leichtere Saiten aufziehen. Im umgekehrten Falle klingen stärkere Saiten wahrscheinlich besser. Wenn man noch gar keine klare Klangvorstellung hat, empfiehlt es sich, zunächst einmal die mittlere Stärke (Medium) zu nehmen.

Umspinnung

Zum Schluss noch ein paar Worte zur Umspinnung, also der Umwicklung des Saitenkerns mit einem Metall. Durch diese Umspinnung wird die Masse der Saite gezielt erhöht, wie stark, hängt vom spezifischen Gewicht des jeweiligen Metalls ab. Je höher die Masse ist, desto tiefer klingt die Saite, und ohne Umspinnung wäre es kaum möglich die dicken, schweren Saiten für tiefe Instrumente herzustellen. Die Umspinnung kann ein- oder mehrlagig sein und besteht aus rundem oder flachem Draht der verschiedensten Metalle (Stahl, Chromstahl, Wolfram, Silber, Aluminium, Titan oder in seltenen Fällen auch aus Gold). Bei der Verwendung von rundem Draht wird die Saite anschließend noch geschliffen. Zwischen Saitenkern und Umspinnung ist meistens noch eine Zwischenschicht aus geflochtenen Seiden- oder Kunststofffäden, wodurch einerseits die Umspinnung besser hält und andererseits der Saitenkern eine innere Dämpfung erhält. Mit Aluminium, das ein sehr geringes spezifisches Gewicht hat, lassen sich relativ dicke Saiten herstellen. Solche Saiten sind relativ preiswert, haben allerdings den Nachteil, dass sie die Finger schwärzen (säurehaltiger Schweiß!) und auch sonst eher schnell verschleißen. Aluminium klingt hell und wird eher für die höheren Saiten verwendet. Silber dagegen hat ein relativ hohes spezifisches Gewicht, wodurch die Saiten dünn werden und besonders für die vierte Saite Verwendung finden. Die Silberschicht wird allerdings nur für die obere Decklage verwendet, darunter befindet sich meist Nickel. Titan ist ein teures Metall mit einem geringen spezifischen Gewicht und wird vor allem für die dünnste Saite verwendet. Nachteilig ist, dass der Verschleiß recht hoch ist und sich die Bänder lösen können. Gold ist ein sehr unempfindliches Metall und kann als dünne Schicht einen Schutz gegen Handschweiß bilden. Wegen des hohen Preises wird Gold allerdings nur bei Violin-Saiten verwendet. Wolfram hat einen klangtechnisch eher neutralen Einfluss, kann allerdings durch das hohe spezifische Gewicht die Saitendicke gering halten. Man findet eine Wolfram-Umspinnung dann eher bei der dritten und vierten Saite. Wenn eine Umspannung aus Chrom vorliegt, handelt es sich meistens um eine Legierung (Chromstahl). Nickel in reiner Form wird bei Streichinstrumenten nur ganz selten verwendet, es ist jedoch oft in irgendwelchen Legierungen vorhanden. Deswegen sollte man bei einer Nickelallergie speziell auf nickelfreie Saiten zurückgreifen, die im Handel erhältlich sind.

Ihre Ansprechpartner