Der Roland JC 22 ist quasi ein digitaler Nachbau des JC 120. Digital insofern, als die interne Signalverarbeitung mit Klangregelung, Hall, Chorus, Send/Return digital erfolgt. Dadurch hört man auch beim Chorus kein Rauschen, was beim alten JC 120 sehr ausgeprägt war. Analog ist nur die Eingangsstufe und die Stereo-Endstufe. Letztere liefert ungefähr 2x 20 Watt an die beiden 4 Ohm / 8 Zoll Speaker (ca. 16 W RMS, 32 Watt Peak pro Kanal). Bei höheren Frequenzen ist der Amp richtig laut. Allerdings bringen die kleinen Speaker nicht ganz die erhoffte Wärme und den Druck im Bass. Der Amp klingt insgesamt etwas hart und höhenlastig, besonders bei eingeschaltetem Chorus.
Der Choruseffekt ist eine digitale Simulation des Chorus beim JC-120 classic, der folgendermaßen funktioniert: Mit Hilfe einer Delayline erzeugt man aus dem Original ein frequenz- und phasenmoduliertes Signal, das sich für sich allein an wie ein jaulendes Vibrato anhört. Man kennt es als Dopplereffekt bei den Sirenen vorbeifahrender Polizeiautos. Dieses Signal wird auf den rechten Lautsprecher gegeben. Am linken Speaker liegt hingegen das unveränderte Originalsignal an. Durch Mischung und teilweise Auslöschung der Schallwellen beider Lautsprecher in der Luft entsteht ein räumlich klingender Choruseffekt mit der doppelten Modulationsfrequenz.
Dieses Prinzip funktioniert umso besser, je größer der Abstand zwischen den Lautsprechern ist. Beim JC-22 führt der geringe Abstand der kleinen Speaker zu einem deutlich hörbaren Bassverlust, sobald der Depth-Regler beim Chorus auch nur geringfügig aufgedreht wird. Physikalisch erklärt sich das durch gegenseitige Auslöschung von Schallwellen mit ungefähr 180 Grad Phasenverschiebung. Leider hat es Roland trotz der grenzenlosen Möglichkeiten digitaler Signalverarbeitung nicht ganz geschafft, den Chorus so wohlklingend und feinfühlig regelbar zu machen wie bei gut konstruierten analogen Choruspedalen (z.B. Carl Martin oder TC Electronic). Dafür gibt es Punktabzug.
Der Hall ist hingegen eine gelungene digitale Simulation eines Fender Federhalls und klingt täuschend echt. Er ist wie beim Original in Mono, d.h. bei Stereoanschluss wird er beschickt mit dem Summensignal aus links und rechts.
Der JC 22 hat zwei Stereo Eingänge: Einen frontseitig (hochohmig) und einen rückseitig (Effect Return, niederohmig). Entsprechend hat er auch 2 Stereo-AD-Wandler. Den Effekt Return kann man als zusätzlichen Stereo-Eingang z.B. für ein Keyboard benutzen, wobei die internen Effekte (Hall und Chorus) wirksam bleiben. Damit der frontseitige Eingang gleichzeitig nutzbar ist, muss man die Effektschleife auf parallel schalten.
Schließt man ein Stereosignal an, so geht der linke Kanal auf den linken Speaker und der rechte Kanal über den Chorus auf den rechten. Der Hall hingegen geht parallel auf beide Kanäle. Offenbar findet aber intern eine Summenbildung statt, denn wenn man ein zwei um 180 Grad phasenverschobene Signale anschließt, kommt hinten nix mehr raus. Das habe ich mit Verwunderung festgestellt, als ich zum Vergleich ein externes Stereo-Choruspedal anschließen wollte. Dabei ging der Choruseffekt des externen Pedals komplett verloren. Also nicht gleich das Choruspedal als kaputt wegschmeißen!
Der JC-22 hat einen Stereo-Line out und einen parallelen Headphone-Out mit einem eigenen DA-Wandler. Dieser erzeugt eine Mischung aus dem Chorussignal und dem Direktsignal und bildet somit die Mischung nach, die bei den Lautsprechern ?in der Luft? erfolgt. Leider ist der Line-Out nicht separat von den Lautsprechern regelbar. Dem JC-22 fehlt übrigens leider auch der bei anderen Roland Amps vorhandene USB-Anschluss fürs Recording.
Fazit:
Der JC-22 ist ein sorgfältig und stabil konstruierter Amp mit einem raumfüllenden Klang. In Anbetracht seiner Herkunft aus Malaysia ist er gut verarbeitet und riecht nicht nach Lösungsmitteln. Was mir daran gefällt, ist die für die Größe enorme Lautstärke, die Qualität der Effektsimulation und das geringe Rauschen. Was weniger gefällt, ist der etwas harsche höhenlastige Klang besonders bei Chorusbetrieb. Das wird CleanStrat- oder CleanTele-Spieler in einer Funkrock-Band kaum stören, aber Jazzgitarristen und Akustikgitarristen dürften etwas mehr Wärme im tieffrequenten Bereich vermissen. Crunchige oder sahnige Overdrive-Sounds sind mit dem JC-22 mangels eingebauten Verzerrers nicht möglich. Aber auch externe Schmutzpedale klingen nicht besonders amtlich über den JC-22.
Leider ist das Gewicht, bedingt durch die Keramik-Magnete der Speaker und das stabile MDF-Gehäuse, höher als erwartet. Da hätte Roland mit Neodym-Magneten und Multiplex-Holz einiges an Gewicht einsparen können. Was auch noch wünschenswert gewesen wäre: Umschaltung des Netztrafos von 230 auf 115 Volt.