Ich wollte schon lange einen neuen Anlauf in die Welt der 12-Saiter unternehmen, aber die meisten Modelle passten mir nicht wirklich. Es sollte höchstens eine Dreadnought werden, die Jumbos sind für meine Zwecke einfach zu viel des Guten.
Beim wahllosen Stöbern bin ich dann über die Baton Rouge X11LS/F-AB-12 Folk gestolpert und war sofort hin und weg. Kleines Format, tolle Optik, keine ausladende Kopfplatte - passt. Gesehen, seit wann sie im Programm ist und gar nicht erst das Netz nach Reviews durchforstet sondern zugeschlagen.
Beim Auspacken kurz ein wenig Ernüchterung: die Decke ist strikt matt lackiert. Keine offenen Poren wie an Zargen und Boden. Das kommt auf den Bildern nicht so rüber und wirkt dort deutlich dreidimensionaler - aber das ist kein Mangel, da die Lackierung trotzdem tadellos ist. Auch ansonsten gibt es an der Verarbeitung nichts auszusetzen, weder an den groben Arbeiten, noch an Feinheiten wie Bundkanten, Sattel und Stegeinlage. Lediglich der Durst von Griffbrett und Steg sind da zu bemängeln, aber das scheint heutzutage irgendwie normal zu sein. Und da der Saitenwechsel ohnehin einkalkuliert war konnte ich da problemlos säubern (ein bisschen Schleifstaub war auch noch da) und einölen. In dieser Preisklasse ist das auch nicht verwerflich um ehrlich zu sein.
Die Werksbesaitung wurde nach kurzem Antesten direkt durch D'addario XTAPB1047-12 in Standard D Stimmung ersetzt und darauf basiert die Klangbeschreibung. Zunächst: es sind immer noch 12 Saiten, die Kleine ist trotz des Formats lauter als so manche größere Sechssaiter. Vergleicht man den Klang dann mit dem, was man so von anderen Varianten dieser Art kennt hört man natürlich, das hier kein riesiger Korpus am Werk ist. Wer das sucht ist hier definitiv an der falschen Adresse. Den typischen 12-Saiter Teppich bekommt man hier eben genauso und das mit einer gut ausbalancierten Charakteristik. Das Schimmern wird nicht von lauten Bässen gejagt, sondern von einem dezenten, angenehm hölzernen Fundament getragen. Damit macht sie genau das, wofür ich sie bei Aufnahmen haben will. Einzelnoten in den tiefen Lagen haben sogar etwas wunderbar Sonores an sich.
Durch das kleinere Format ist die gesamte Spielbarkeit auch fantastisch. Wer viel Fingerpicking spielt wird vermutlich etwas breitere Abstände zwischen den Saitenpaaren wünschen, für Gelegenheitsarpeggios mit dem Plektrum reicht es aber auf jeden Fall aus. Dadurch, dass sie klanglich so wunderbar ist und trotzdem im Grunde genauso handlich wie eine reguläre Western ertappe ich mich in letzter Zeit dabei öfter zur Baton Rouge zu greifen.
Wer nicht den Standard 12-Saiter Jumbo Sound mit Pickup und Preamp in der Gitarre sucht, sondern eine rundum gelungene Aufnahme-12-Saiter, wird hier wahrscheinlich fündig werden. Ich bin es jedenfalls und freue mich schon darauf, wenn die Decke durch meinen Unterarm aufpoliert wird...
Randnotiz: Es tut einem schon ein wenig leid, wie seelenlos die Produktbezeichnungen heutzutage sind. Ja, damit sind die Features im Produktnamen verewigt, aber man wird den klanglichen Seelen der Instrumente nicht gerecht.