Nach 6 Tagen unterwegs nach Frankreich- nie mehr ĂŒbers Wochenende hierher versenden (quel dĂ©sastre), Dienstag war es so weit. Montags ist es ein Lotteriespiel ob man beliefert wird, da alle Welt in F am Freitag noch schnell ausliefert.
Erster Schreck als der UPS-Mann das Paket ausgeladen hatte- da war der Standard Thomann Karton an einer Ecke Kopfseite um einige Zentimeter ausgebeult, jedoch mit Thomann Klebeband ĂŒberklebt, also ab Versender so verpackt. Das muss ja ein Brocken sein- aufgemacht war es nicht, denke die Luftpolster haben den Platz weggenommen und der Originalkarton der Gitarre war unbeschĂ€digt.
Die Harley Benton CLJ-412E NT erinnerte mich sofort an die Guild 512, die man ja schon immer mal haben wollte, nur nicht mit schwarzer Kopfplatte (wie Guild) wie ein Rezensent bemĂ€ngelte, sondern wie in der Beschreibung mit brauner und schönem Logo. Holz ok. Ausgesuchte massive Fichte, na ja was immer das heiĂen mag, Normal spiegel-zweigeteilte Decke - etwas "ungewöhnliche" Maserung (vielleicht ausgesucht...), keine Lackfehler, nicht ĂŒbertrieben "massiv" lackiert wie z.B. bei meiner EPI EJ 200 sie ist auch mit 2,4 kg 300g leichter wie die EPI Jumbo. Auch die Optik dezent ohne groĂe Schnörkel. Halseinlagen von plastic planet, denke das Pearloid wird wohl samt Gitarre nie im Meer entsorgt werden- (aber was ist aus dem Verschnitt geworden?). Hals nicht zu dick fĂŒr meine durchschnittliche HandgröĂe, normale KrĂŒmmung fĂŒr die mittlere Saitenlage sehr gut, Testblick am 9.Bund auch ok. Saitenpaare bei der 12er wĂŒnscht man sich immer etwas nĂ€her zusammen, doch steigt das Risiko, dass sie schnarren. Also sicher gut so eingestellt. Mensur 648 wie Guild (was ein Zufall) nicht die angegebene Gibson 624er Mensur, BĂŒnde sauber verarbeitet keine Verletzungsgefahr- auch da habe ich fĂŒr viel mehr Geld schon Anderes erlebt. Sattel etwas ĂŒber 48mm genau was ich suchte, da ich erst die HBD200-12NT bestellt hatte, die mir sehr gut gefiel mit tollem Sound (und Preis), doch mit nur wenig ĂŒber 47mm Sattel zum Fingerpicking fĂŒr mich als verhinderter Leo Kottke Amateur zu schwierig. War meine alte Seagull S12 und ihre 49mm gewöhnt, da war der Sprung einfach zu groĂ.
Klopfen auf Decke (besser) und Boden mit guter bis ausreichender Resonanz, sicher mit Abstrichen, da die 12 Saiten ja doch recht krĂ€ftig ziehen und jeder Hersteller GarantiefĂ€lle in dieser Richtung zu Recht scheut. Meine LAG T400 6 -Saiter Fichte- Palisander schwingt auch nicht besser und kostete mal mehr als das 3-fache. Meine Hopf Argon Konzertgitarre Fichte-Ahorn klingt da schon etwas anders ist aber auch schon 8 Jahre alt und Nylon baut nicht dieselbe Spannung wie Stahl und gar eine 12er auf- also kann man dĂŒnnere Decken und Boden verbauen. Fichte wird auĂerdem im Gegensatz zu Zeder meist mit dem Alter, Beschallung und vielem Spiel auf unterschiedlichen Lagen besser.
Meine alte Seagull S12 Bj. 2000 die mich leider zugunsten eines Profis verlassen hat, noch mit dĂŒnner Zederndecke, gebaut vor der Umstellung nach der weltweiten Trockenheit 2003 und damals vielen GarantiefĂ€llen hatte natĂŒrlich noch etwas mehr Resonanz, doch die hatte noch ĂŒber 1000 Euro gekostet.
Gewicht fĂŒr eine Jumbo normal wie oben vermerkt, da scheint man auch etwas geĂ€ndert zu haben, da hatte ich jedenfalls schon mehr auf dem Bein- auch fĂŒr mich (1,85) nicht zu groĂ. Jetzt gestimmt, kein Problem Mechaniken ok, leichtgĂ€ngig trotzdem direkt und gerĂ€uschlos, nicht ganz gerade verbaut bei Direktansicht unter der Kopfplatte. Nach dreimaligem Nachstimmen am ersten Tag, die folgenden 3 Tage nachts im Etui, tagsĂŒber 30 Minuten gepielt, ĂŒberraschend immer absolut stimmstabil. Oktavreinheit gut. In Beidem habe ich bei teuren Gitarren schon Anderes erlebt. Klang mit den DAddario EJ38 Werkssaiten schon sehr gut was Mitten und Höhen anbelangt. Bei den BĂ€ssen darfs etwas mehr sein, hatte mir bereits die Daddario EXP38 dazubestellt wie sie bei Takamine & Co Standard sind und dort ein etwas breiteres Klangbild abliefern. Denke kaum das es viel am Holz liegt wie einige Rezensenten meinten. Die Pins aus Plastik sind auch ok, werde sie jedoch beim ersten Saitentausch (2 Monate) ebenfalls wechseln. Messing oder Holz, bin mir noch nicht im klaren, dem Sustain der normal aber nicht ĂŒberragend ist, dĂŒrfte es gut tun. Pickguard dezent und nicht zu groĂ und dick, scheint geĂ€ndert worden zu sein ist kein Monstrum wie einige meinten. Fishman Isys+ also nicht die Standard Version funktioniert einwandfrei. Klang auf Kustom MA 30 und Fender Mustang IV gut, besser als die Klangbeispiele auf der Webseite vermuten lassen (habe sehr gute Lautsprecher am PC angeschlossen). Mit ART Tube MP VorverstĂ€rker im Cleanmodus lĂ€Ăt sich noch mehr herauskitzeln, da spielt dann das Fishman OEM in der Oberklasse!
Erster Gesamteindruck nach 4 Tagen: Die HB CLJ-412E ist eine sehr gute Gitarre, optisch ansprechend (wenn man Guild mag...) trotzdem nicht nur mit Kopfplatte,Logo und Inlays eigene Wege gehend, keine billige Kaufhaus-Kopie sondern fĂŒr diesen Preis ein echtes Wunderwerk. Dank auch an die chinesischen Wanderarbeiter oder wer immer diese Gitarren baut- hoffe es bleibt fĂŒr ein menschenwĂŒrdiges Leben genug ĂŒbrig. Muss fĂŒr diese netten Leute doch mal eine Kerze aufstellen (Kein Witz). Gibt in China 120 Mio. Christen nur noch 90 Mio. Kommunisten sind in der Partei. Da tut sich auch was...
Mir erscheint es dass der Klang jeden Tag besser wird, vielleicht auch weil ich weniger daneben greife(?!) eine 12er will wieder gewohnt sein. Kann auch daran liegen, dass ich die Gitarre vom ersten Tag an mit Joe Pass 12 String Guitar und Pink Floyd Wish you were here abwechselnd im Dauermodus beschalle wÀhrend ich lÀngere Wanderungen mit Frau und Hund unternehme (ansonsten nicht nachahmenswert). Dank auch an die Geduld der Thomann Gitarrenabteilung, die mich nicht nur mit dieser Gitarre wieder sehr gut beraten hat.
ErgĂ€nzung 06/01/2017: Bin trotz regelmĂ€Ăigem Spiel (minimum 2x die Woche) immer noch mit dem ersten Saitensatz nach 5 Monaten zufrieden, den ich allerdings nach jedem Spiel mit trockenem Tuch reinige. Die SchwĂ€che in den BĂ€ssen hat sich etwas gegeben. Habe sehr zeitig Stimmung auf Open D gewechselt, Saitenlage weiterhin Bestens. Gitarre ist in alter Jumbotasche von Thomann trotz wechselhafter Kamintemperaturen im Raum kaum verstimmt (besser Korg Tuner Anzeige nutzen). SaitengerĂ€usche am Sattel beim Stimmen verschwinden durch Bleistiftgraphit. Mechaniken weiterhin einwandfrei. Fingerpicking z.B. Autumn von Autschbach, aber auch Variationen von Greensleeves oder klassische Etuden von TĂĄrrega sind in jeder Lage gut und sauber zu spielen und machen richtig SpaĂ, Der Klang vor allem die Höhen (Diskantsaiten unterschiedlich leicht erhöht) ein GenuĂ. Mir mittlerweile lieber wie meine ehemalige Seagul S12 Zeder, Die Fichtendecke scheint wirklich "mitzudenken". Strumming und Picking ĂĄ la Cat Steavens sollte man allerdings mit Medium oder Light Plektrum (Martin oder Fender) eher streichelnd als heavy veranstalten, sonst klingt es eher trĂŒbe und breiig!
Einziger Mangel bisher: der Tuner, der selten benutzt, jedoch einmal vergessen abzuschalten sofort die Batterie leergesaugt hat. Batteriefachdeckel auch keine NebengerĂ€usche wie wohl frĂŒhere Modelle.
Fazit: Ein rundum durch RĂŒckmeldungen und Verbesserungen wohl ausgereiftes Instrument fĂŒr einen unglaublichen Preis!
Nachtrag: Nach Wechsel auf EXP38 Saiten musste ich doch erkennen, dass der Laminatboden und die Mechaniken mit diesen Saiten erstmal ĂŒberfordert waren. Dauerte mehr als einen Monat bis vom Strumming bis Fingerpicking der Ton vor allem im Bassbereich gut war, Die Stimmung einigermaĂen stabil blieb-dies jedoch nur beim Tuning einen Ton tiefer und verĂ€nderter Spielweise. DafĂŒr war mehr Druck und Bass als bei den EJ 38 vorhanden, wĂ€hrend die Höhen- bei den EJ 38 perfekt, bei EXP38 leicht verschwommen wurden. Der Laminatboden der CLJ 412E schwingt gegenĂŒber massiven Decken von Gitarren der Oberklasse einfach zu stark mit, Also die Entscheidung des Herstellers fĂŒr die EJ 38 goldrichtig doch wer mit Geduld und vielleicht etwas lĂ€ngerem AushĂ€ngen der Saiten (beim nĂ€chsten Saitenwechsel mal probieren) zum privaten Gebrauch spielt, kommt fĂŒr 200 Euro dem Sound und der Spielbarkeit einer Oberklasse Gitarre zumindest nahe. Daher weiterhin volle Punktzahl.