Bei seiner Einführung wurde der Cranborne Audio Carnaby 500 selbstbewusst als „der Innovationsschub in Sachen Analogaudio“ beworben. Ob das so zutrifft, wollen wir dahingestellt sein lassen. Zweifellos ist der Carnaby ein höchst innovatives Audio-Tool mit außergewöhnlichen Fähigkeiten und seinerzeit wohl als einzigartig zu bezeichnen. Kurz gefasst, verstärkt und beschneidet das Gerät bestimmte Frequenzbereiche (entsprechend einem „normalen“ EQ). Darüber hinaus kann es diese zusätzlich mit harmonischen Obertönen anreichern – also Frequenzen addieren, die ursprünglich nicht im Signal vorhanden waren. Daraus resultieren sehr interessante Klangveränderungen, die sich so weder mit konventionellen EQs noch mit breitbandig arbeitenden Sättigungsprozessoren erzielen lassen. Eine innovative Link-Funktion ermöglicht den Stereo- oder Mehrkanalbetrieb von im 500er Rack benachbarten Modulen.
Das dicht gepackte Panel des Cranborne Audio Carnaby 500 erinnert an einen gewöhnlichen 3-Band EQ. Pro Band findet man ein gerastertes Reglerpaar für Frequenz und Pegel, darüber hinaus Potis für Ein- und Ausgangs-Level des Moduls. Die Wirkungsweise unterscheidet sich jedoch von der eines EQs: Bei Rechtsdrehung wird der gewählte Grundton verstärkt und das Signal zunehmend mit entsprechenden Obertönen angereichert. Linksdrehung senkt den Grundton ab und betont somit ebenfalls die Harmonischen. Der Vorgang erfolgt in Abhängigkeit vom Signalpegel, ist also dynamisch. LEDs überwachen die Arbeitsweise. Über den sog. Optosync lassen sich mehrere Module linken – ohne Kabelverbindung. Auch eine Bypass-Funktion ist vorhanden. Entsprechend einem gewöhnlichen EQ positioniert man den Carnaby 500 zwischen Signalquelle bzw. Preamp und einem ggf. nachfolgenden Kompressor.
Der Cranborne Audio Carnaby 500 ist ein ebenso aufregendes wie spezielles Sound-Tool. Seine Wirkung ist oftmals recht überraschend, nicht immer vollständig kontrollierbar und stark von Einstellung und Programmmaterial abhängig. Eine feine und sorgfältige Justage ist fast immer notwendig, um optimale Ergebnisse zu erzielen. Zudem sollte man hemmungsloses „Überdosieren“ möglichst vermeiden. Lässt man sich auf diese Besonderheiten ein, kann der Carnaby 500 großartige Ergebnisse liefern, die mit anderen Geräten kaum machbar sind. Definitiv ein Gerät für Soundfreaks mit etwas Geduld und Lust auf Besonderes. Im Vergleich zu hochwertigen EQs konventioneller Bauart ist der Preis des Carnaby 500 Moduls durchaus moderat zu nennen.
Der noch junge Londoner Hersteller Cranborne Audio unter der Leitung von Managing Director und Co-Founder Sean Karpowicz hat seit seiner Gründung im Jahr 2019 bereits mehrfach für interessante Überraschungen auf dem Audiomarkt gesorgt. Das erklärte Ziel der vier Briten, die über einen Background beim legendären Pult-Hersteller Soundcraft verfügen, ist es, nicht nur Tools für maximal hochwertige Signalbearbeitung zu entwickeln, sondern auch bekannte (Vintage-)Konzepte um innovative, moderne Features zu erweitern. Stichworte hierzu sind der „Mojo“-Button des gefeierten Camden 500 Preamps, der Cranborne Harmonic EQ sowie 500er-Rackgehäuse mit umfassender DAW-Konnektivität.
Der Cranborne Audio Carnaby 500 versieht Signale recht breitbandig mit einem sehr interessanten Charakter. Subtile Schönfärbung oder gar exakte Korrekturen sind nicht wirklich sein Ding – abhängig vom Signal lassen sich jedoch Ergebnisse erzielen, die mit „normalen“ EQs nicht oder nur ansatzweise machbar sind. Erstklassig funktioniert das auf Einzelsignalen, aber auch auf Stems bzw. Subgruppen. So ist der Carnaby durchaus in der Lage „unterbelichtete“ Signale aller Art im Mix hervorzuheben, und dabei mehr Räumlichkeit, Breite oder auch Dichte zu schaffen – ein wirklich außergewöhnliches und vor allem sehr kreatives Mix- und Sounddesign-Tool. Man wird den Carnaby 500 (bzw. ein Stereopaar) sicher nicht als einzigen EQ nutzen wollen, er kann jedoch nahezu jedes bestehende Setup um bisher nicht gekannte Bearbeitungsoptionen erweitern.
Exciter zum Saturation-Tool
In den späten 1970er Jahren machte ein Gerät mit der Bezeichnung „Aural Exciter“ Furore. Es wurde als mysteriöse und teure Geheimwaffe gehyped. Dabei ist das Prinzip recht simpel: Dem Eingangssignal wird ein gewisser Anteil abgezweigt, mittels subtiler Verzerrung mit Obertönen angereichert und dem Original mit ggf. veränderter Phasenlage wieder zugemischt. Voilá – das Ergebnis wirkt präsenter, durchsetzungsfähiger und subjektiv lauter, obwohl kein nennenswerter Pegelzuwachs entsteht. Das Prinzip polarisierte die damalige Audiowelt und stieß ebenso auf Verehrer wie auf strikte Ablehnung. Im 24 Bit/196 kHz-Zeitalter sind mangelnde Höhen kein Thema mehr. Dementsprechend nennen sich Obertongeneratoren heute gerne „Saturator“ und verschönern allzu cleanen Sound mit zusätzlichen Harmonischen. Tools, die entsprechende Schaltungen enthalten oder emulieren, finden sich als Hardware und Plug-in. Die Kombination mit einem mehrbandigen EQ – wie sie der Carnaby darstellt – ist derzeit jedoch einzigartig.