Beim Aufbau einer Bandanlage muss man sich klar machen, dass nicht alles, was dröhnt und schallt, auch unbedingt geeignet ist. Hier kommt also ein notwendiger Einblick in die Typologie und Funktionsweise von Orchesterboxen. Wie ich schon angedeutet habe, sind Lautsprecher eigentlich ziemlich schwächliche Wesen, was ihre Übertragungsfähigkeiten angeht. Sie sind immer auf ein mehr oder weniger aufwendiges Gehäuse angewiesen. Ein solches Gehäuse hat schlicht die Aufgabe, den Lautsprecher mehr scheinen zu lassen als er eigentlich ist. Eine Box ist also eine Fortsetzung des Lautsprechers mit anderen Mitteln. Die optimale Anpassung der Lautsprechereigenschaften an die umgebende Luft ist das Ziel. Es gibt sehr unterschiedliche Wege dorthin.
Zu den elementaren Boxen einer Band gehört sicher die Gitarrenbox. Sie ist üblicherweise mit 4x12" Lautsprechern bestückt, 2x12" ist auch möglich. Das Gehäuse ist vollkommen geschlossen und leicht bedämpft, man hört also nur den Schallanteil, den die Lautsprecher nach vorn abgeben. Diese Art Box ist schon ziemlich groß (ca. 75x75 x35cm), steht auf Rollen und hat stabile Transportgriffe. Sie ist stapelbar, wobei es für obenauf eine leicht abgeschrägte Version gibt.
Lautsprecherboxen können zu Hörnern werden, wenn man sie so baut, dass dem eingebauten Lautsprecher ein "Trichter" vor- oder (zusammengefaltet) hintergesetzt wird. Diese Hornkonstruktion erfolgt nach Exponentialfunktionen. Die Berechnung ist eher etwas für Mathe-Freaks. Exponentialhörner erhöhen die Lautstärke ungemein. Wollte man dies mit einer normalen Box erreichen, so müsste sie entweder sehr groß werden oder man müsste sehr viele von einer Sorte nehmen. Das exponential gekrümmte Horn vor einem Lautsprecher erhöht den Schalldruck der Mitten und Höhen, während das gefaltete Horn dahinter den Schalldruck der Bässe vergrößert. Das Horn wirkt als akustischer Transformator. Der Strahlungswiderstand vor der Membran wird durch eine akustische Anpassung an die Verhältnisse im freien Schallfeld erhöht, der Lautsprecher kann weitaus effizienter arbeiten.
Bereits 1930 wurden die ersten Exponentialboxen gebaut, weil mit der Erfindung des Tonfilmes plötzlich viel Klang benötigt wurde, man aber noch nicht in der Lage war, starke Verstärker zu konstruieren. Wenn man bedenkt, dass eine gute Exponentialbox den Schalldruck eines Lautsprechers bis zu 9 db erhöhen kann, so bedeutete dies damals, dass eine achtfache Leistung erreicht wurde bei Verstärkern, die maximal 20 Watt brachten. Eine der bekanntesten Exponentialboxen aus jenen Tagen ist die legendäre Voice Of The Theatre von Altec Lansing. Ich habe selbst in meiner Bandzeit diesen Typ nachgebaut und als PA verwendet. Zusammen mit einem entsprechenden Horn entfaltet eine solche Box einen erstaunlichen Wirkungsgrad. Das exponenzielle Prinzip hat man aber inzwischen gewaltig weiterentwickelt. Die Anlagen sind insgesamt transportabler geworden, man spart bei hohem Wirkungsgrad Lautsprecher, hat einen geringen Verzerrungsgrad und eine gute Richtwirkung in den Bässen.
Zu unterscheiden sind drei Typen von Exponentialboxen (Bin = Box):
Front Loaded Bins:
Vor dem Lautsprecher sitzt der exponential geformte Trichter. Ohne Horn für verstärkte Mittenübertragung.
Folded Horn Bins:
Der Lautsprecher strahlt nach innen, das Horn entfaltet sich stufenweise nach außen. Geeignet für dicke Bässe.
Rear Loaded Bins:
Der Lautsprecher strahlt nach vorne, die nach hinten abgestrahlten tiefen Frequenzen werden über ein gefaltetes Horn nach vorn geführt. Für Bass- und Mittenübertragung.
Ein markantes Beispiel für ein Rear Loaded Bin ist die berühmte "Rutsche", die mit einem oder zwei 15"-Lautsprechern bestückt werden kann. Rutschen haben gegenüber den Front Loaded Bins einen geringeren Wirkungsgrad und reichen nicht sehr weit. Allerdings geben sie doch einen satten Bassklang her, sodass sie in kleinen Räumen als Discobox einsetzbar sind. Auch als reine Bassbox sind sie durchaus geeignet, wobei bei Großbeschallung allerdings mit einem Mikrofon abgenommen werden muss, was wiederum zur Soundverwässerung in der PA beiträgt. Der Nachbau ist nicht ganz leicht, aber – wie ich aus eigener Erfahrung weiß – machbar, wenn man nicht zwei linke Hände hat.
Bei allen drei Typen gibt es jede Menge Varianten, man möchte sagen, so viele wie Hersteller. Allen ist aber gemeinsam, dass die Höhe der Schalldruckverbesserung und die untere Grenzfrequenz durch die Länge des Horns und die Größe der Austrittsöffnung festgelegt werden. Alle Exponentialhörner sind im Bau sehr kompliziert, da man die Krümmungen und Winkel sehr genau einhalten muss. Der Nachbau ist also nur mit Bauplan und für Leute mit entsprechendem Werkzeug und schreinermäßigen Kenntnissen zu empfehlen.
Eine andere Boxenart hat einen großen Lautsprecher und eine Öffnung mit Rohr, die Bass-Reflexbox. Die Öffnung ist in besonderer Weise auf den Lautsprecher und die Gehäusemaße abgestimmt. Die Länge des Reflexrohres muss genau durch Rechnung oder durch Messung ermittelt werden. Dann hat die Box eine optimal verstärkte Bassabstrahlung. Eine Bedämpfung erfolgt auf zwei Seiten. Diesen Boxentyp gibt es in allen Größenordnungen.
Die Mehrwegbox ist ein breitbändiges Beschallungssystem mit zwei oder drei Lautsprecherwegen und Reflexrohr. Die Lautsprecher müssen dabei über eine Frequenzweiche geführt werden. Der Mitteltöner ist abgedeckt, damit seine Membran nicht von den Basswellen beeinflusst wird. Diese Box ist als Gesangs- oder PA-Box geeignet, weil sie alle Frequenzen gut überträgt, durch das Reflexrohr auch in den Bässen einiges zu bieten hat und durch das Hochtonhorn weit reicht. Solche Boxen gibt es heute in sehr kompakter Form mit hoher Leistung. Viele Musiker ziehen sie daher anderen transportfeindlichen Systemen vor. Bei größeren Beschallungsaufgaben kann man solche Breitbandboxen stapeln (stacking), wobei insgesamt eine große Membranfläche entsteht, was den Sound kraftvoll und transparent macht. In großen Hallen oder Open Air allerdings tragen diese Boxen trotz des Hornes nicht weit genug.
Eine typische Mehrwegbox ist die unter Musikern bekannte so genannte 15/3. Damit bezeichnet man eine Boxenart, die auf der Basis eines 15"-Basslautsprechern ein Dreiwegsystem beinhaltet.
Die Monitorbox darf nicht vergessen werden, sie hat in einer kompletten Bühnenanlage einen hervorragenden Platz. Sie sorgt dafür, dass sich Sänger und Musiker auf ihrer Bühne überhaupt noch selbst und gegenseitig hören können, denn sie stehen ja im akustischen Schatten ihrer PA-Anlage. Profis haben für ihr Monitorsystem sogar ein eigenes Mischpult, von dem aus man jedem Musiker den für ihn wichtigen Schallanteil auf die Monitorbox legen kann. Wer einmal auf einer großen Bühne vor Publikum gestanden hat, als plötzlich der Monitor ausfiel, weiß wovon ich rede. Ein Monitorsystem kann auch beim Üben dazu beitragen, die Gesamtlautstärke gering zu halten, wenn sich jedes Bandmitglied gut im Monitor hören kann. Erst das Nichthören führt ja dazu, dass die Verstärker immer lauter gedreht werden.