Auch wenn es Geschmacksache bleibt: für mich war die Optik dieser E-Geige der eigentliche Kaufanreiz. Youtubepräsentationen fand ich klanglich nicht überzeugend. Aber E-Geigen sind wahre Zicken, die brauchen so einiges an Fummelei, bis sie gut klingen. Und hier lässt sich gut fummeln, denn der Pickup schiebt massiv Leistung raus, zeichnet dabei auch die Obertöne gut auf und lässt sich mit einem geeigneten Preamp (> 1MOhm Eingangsimpedanz) fein für den EQ aufbereiten. Die Verarbeitung ist - für Geigenbauverhältnisse - ausbaufähig, geht für eine E-Geige der mittleren Preisklasse aber in Ordnung. Schulterstützen und Kinnhalter lassen sich aus dem Standardsortiment individualisieren - leider nicht selbstverständlich bei Yamaha. Die Geige kommt mit enspannten Saiten in der Pappbox an, der Steg liegt flach, ist über ein Kabel mit dem Korpus verbunden. Die Saitenlage ist nen ticken hoch, bin gespannt, ob ich einen Geigenbauer finde, der da direkt am Intrument dran feilen mag. Oder ich gewöhn mich dran, vermutlich ist das einfacher...
Der Hals ist "kräftig", wegen meiner eher kurzen Finger habe ich bisher immer mit schmaleren Hälsen gespielt. Aber auch das nehme ich als Herausforderung, denn die Geige bietet im Segment der E-Geigen einen Klang im oberen Drittel an. Sofern man den Steg sauber aufstellt, und dann ein wenig hin und her drückt, bis der Klang "satt" wird. Das braucht manchmal etwas Feingefühl, ist aber der "Dreh- und Angelpunkt" für den Klang der kleinen Japanerin. Das Lautstärkepoti lässt sich per Schalter überbrücken, kombiniert man diese beiden Optionen, so hat die Geige sogar einen Boost-Schalter.
Die YEV 104 präsentiert sich - anders als die Geigen der SV-Serie - als Bühneninstrument. Starke Optik, minimalistische Ausstattung, damit eine hohe Individualisierbarkeit, inbesondere beim Preamp sind wichtige Attribute. Ich persönlich hätte die Klinkenbuchse lieber näher an der Schulter, und auch lieber so, dass ein Kabel nach unten herausgerissen werden kann. Allerdings sitzt die Buchse perfekt für kleine Sendeanlagen, die dann optisch für das Publikum nicht mehr zu sehen sind. Dies ist meine dritte E-Geige, als Bühneninstrument steckt sie die olle SV-120 locker in die Tasche. Mit der "Alta E-VLN" liegt sie klanglich fast auf gleicher Höhe. Dafür brummt sie nicht und lässt auch keine Einstreuungen zu. Und sieht toll aus. Sie passt übrigens in übliche Geigenkoffer. Die "Zyxel" Saiten haben für Synthetiksaiten eine hohe Spannung, was aber auch dazu führt, dass die Geige sehr schnell anspricht und auch mit wenig Bogen viel Klang entfaltet.
Die hier bei den Bewertungen benannte Unausgewogenheit der Lautstärken kann ich nachvollziehen, wenn man denn das Spiel auf akustischen Geigen gewöhnt ist. Die Mehrzahl der E-Geigen ist "untenrum" einfach lauter, als man es von den akustischen Geigen kennt. Gerade im Bandkontext empfinde ich das als tolle Eigenschaft, denn mit G- und D-Saite gerät man schon in das Frequezspektrum der Gitarre, kann sich dann im Solo aber immer noch mit kräftig warmer Klangfarbe durchsetzen.
Ich bin mir sicher, dass ich diese Geige noch viele Jahre gerne spiele, und freue mich schon jetzt auf die nächsten Live-Gigs.