„Live“ eignet sich besonders für Live-Performer, Remixer und Producer, die ihre Songs besonders intuitiv gestalten möchten. Es besitzt einen „gewöhnlichen“, linearen Arranger, den man von anderen „konventionellen“ DAWs kennt.
Das Alleinstellungsmerkmal von Live ist die sogenannte Session-View, in der Audio und MIDI als kleine Clips in einer Matrix (eine Art Tabelle) organisiert werden. Hier lassen sie sich auch aufnehmen, in Dauerschleife („Loop“) wiedergeben und auch stoppen. Jede Spur kann mehrere Clips enthalten, die sich live und in beliebiger Reihenfolge abspielen lassen. Es lässt sich immer nur ein Clip pro Spur wiedergeben. Mehrere Clips verschiedener Spuren können in Szenen arrangiert werden. Hat man sich ein paar tolle Szenen zusammengebaut, kann man das Ganze in sehr kurzer Zeit auch in ein „konventionelles“ Arrangement überführen.
Das Besondere ist, dass man – während der Song immer weiterläuft – ständig mit neuen Clips und weiteren Szenen experimentieren und weiter improvisieren kann, denn alle Clips werden temposynchron wiedergegeben. Damit bleibt man im „Flow“ wie bei keiner anderen DAW! Die Produktion mit Live ist also deutlich weniger abstrakt als mit klassischen Aufnahmeprogrammen wie Cubase und Logic.
Ein weiterer Vorteil bietet sich für Remixer und DJs: Die Audioclips bzw. Loops können nicht nur kurze Schnipsel, sondern auch ganze Songs enthalten, die man natürlich auch nach Lust und Laune mixen kann. Ableton hält dank Warping nämlich auch Audios ständig temposynchron. Somit hat sich Ableton Live auch als DJ-Tool etabliert, mit dem sich problemlos ganze (DJ-)Sets realisieren lassen.
Für klassische „Proberaumproduktionen“ von Bands mit vielen gleichzeitig aufzunehmenden Spuren eignet sich Live eher weniger, obwohl auch hier umfangreiche Mehrspuraufnahmen problemlos möglich sind. Die Bearbeitung vieler Spuren und Takes gleichzeitig gestaltet sich mit Tools anderer DAWs wie Logic, Cubase oder Pro Tools aber einfacher und effizienter. Ganz anders sieht es dagegen mit Effekten und Instrumenten aus: Neben vielen klassischen Effekten und Klangerzeugern, die man zur Musikproduktion benötigt, hat Live besonders viele Kreativtools an Bord, um Sounds „zu verbiegen“.
Die große Suite-Edition kommt sogar mit einer kompletten, modularen Entwicklungsumgebung namens „Max for Live“, mit der es sogar möglich wird, eigene Klangerzeuger, Effekte und Visualisierungen zu bauen und sich in einer großen DIY-Usergemeinde auszutauschen. Deshalb trifft man Live besonders bei Individualisten, Sounddesignern und Klangtüftlern an. Videovertonungen sind ebenfalls kein Problem, liegen aber deutlich hinter den Möglichkeiten von Pro Tools oder Cubase/Nuendo zurück. In der Musikproduktion hat sich Live hauptsächlich im Bereich der elektronischen Tanzmusik seinen Platz erkämpft, aber auch viele Producer aus den Bereichen Hip-Hop, Trap und Co. setzen auf Ableton Live.
Bitwig ist eine vergleichsweise junge DAW aus Berlin, die es plattformübergreifend für macOS, Windows und sogar für Linux gibt. Die Software kombiniert mehrere DAW-Konzepte und richtet sich besonders an Klangschrauber. Bitwig ist vollmodular aufgebaut, was bedeutet, dass sich alle Module individuell miteinander verbinden lassen. Die Software kommt mit einer Vielzahl an Effekten, Klangerzeugern, Devices und bietet außerdem jede Menge Modulationszubehör, um Klangerzeuger zu manipulieren. Ähnlich wie Ableton Live ist Bitwig in der Lage, Clips entweder linear oder live zu arrangieren, um damit den Songaufbau kreativer zu gestalten.
Über die Audiokanäle eines Interfaces lassen sich außerdem CV/Gate-Signale verarbeiten, was beispielsweise für die Anbindung älterer Synthesizer-Klassiker und Modular-Synths interessant ist. Ein weiterer entscheidender Vorteil gegenüber anderen DAWs ist, dass Bitwig bei der Nutzung von Dritthersteller-Plugins nicht abstürzen kann – fehlerhafte Plugins werden schlicht und ergreifend in der „Sandbox“ deaktiviert. Clever, oder?