Oder sollte man sich vielleicht fragen, wie viele Sounds man braucht? Daher ein kurzer Gedanke zum Nachdenken:
Bei einem Konzert von Mick Taylor und Band im Frühjahr 1998 konnte man einmal sehen, wie einfach die Gitarrenanlage einer Legende sein kann. Während Ex-Kollege Keith Richards und Nachfolger Ron Wood dutzende verschiedene Gitarren sowie etliche Vintageamps mit Racksystemen verwenden, um letzten Endes doch nur ihren (sowieso authentischen und legitimen) rauhen Stones-Sound zu produzieren, brauchte Taylor gerade eine LES PAUL, einen ziemlich ramponiert aussehenden FENDER TWIN REVERB (ein zweiter FENDER war nur als Backup da) und zwei kleine Ibanez-Pedale: einen Verzerrer (vermutlich war es ein IBANEZ TUBESCREAMER) und einen Chorus, der nur einmal bei einem eher in Richtung Jazz-Rock tendierenden Stück zu hören war. Trotzdem hörte man an diesem Abend eine Fülle von superben Sounds, und das, obwohl Mick sogar ausschließlich auf dem Stegtonabnehmer spielte. Mit dem Volume- und dem Toneregler variierte er den Sound ständig, vor allem aber auch mit seinem Anschlag.
Damit soll keinesfalls gesagt werden, dass diese – zugegeben äußerst puristische – Gitarrenanlage nun ideal für jedermanns Zwecke sein muss. Die meisten modernen Gitarristen benötigen schon ein paar Sounds mehr, was allerdings für jeden ein Impuls sein könnte: Man kann auch mit einfachen Mitteln einen interessanten, farbigen Sound erzeugen. Klarerweise benötigen Bluesgitarristen einfach weniger verschiedene Sounds als zum Beispiel ein Top-40-Musiker oder gar ein Tanzmusiker.
Zuerst muss man sich also erst einmal klar werden, was man mit seiner Gitarrenanlage anstellen will. So einfach und logisch das klingen mag, aber genau hier wird am meisten Geld sinnlos verschleudert. Ein Rhythmusgitarrist einer Amateurcountryband hatte, als ich ihn kennenlernte, bereits an die 10.000 DM investiert in eine Anlage (Röhrenvor- und Endstufe, Multieffekt, Midifußleiste, Looper, 2 4x12-Boxen), die jedem Heavy-Metal-Leadgitarristen zur Ehre gereicht hätte. Was er allerdings dann tatsächlich herausholte (90 % Schrubben) hätte mit einem FENDER TWIN und einem kleinen Choruspedal besser, nämlich authentischer geklungen und ihm neben den großen Ausgaben auch noch eine Menge Schlepperei erspart.
Was könnte ein Gitarrist mit ziemlicher Wahrscheinlichkeit brauchen? Je nach Musikrichtung sind die Anforderungen natürlich schwerpunktmäßig verschoben – Cleansounds z. B. werden von Tanzmusikern viel öfter eingesetzt als von Hardrockern.
Soundrichtung | Einsatzgebiet | Effekte |
Clean transparent> | für Rhythmusgitarre: Arpeggios, Strumming | wird gerne mit Hall und Modulationseffekten kombiniert (Chorus, Harmonizer – seltener Flanger, Phaser) |
Clean "voll" | wie oben, auch für Solopartien geeignet | wird gerne mit Hall und Modulationseffekten kombiniert (Chorus, Harmonizer – seltener Flanger, Phaser) |
Crunch | angezerrte Riffs, bluesige Solosounds | Reverb |
Lead singend | für Melodisches | Reverb, Delay; seltener Modulationseffekte, Octaver, Harmonizer |
Lead brachial | für Hard & Heavy | Wah Wah, Delay, Octaver |
Natürlich ist das eine sehr grobe und absolut nicht zwingende Aufstellung, es gibt noch viele andere Möglichkeiten oder Zwischenformen; niemand kann (und will) den Gitarristen verbieten, ihren Leadsound mit Flanger oder LESLIE zum Schweben zu bringen, wer wie David Gilmour mit Delays umgehen kann, hat immer mindestens eines am Laufen. Nehmen wir diese Tabelle oben daher einfach nur als Arbeitsgrundlage; Wer einen oder mehrere Sounds nicht benötigt, hat einfach ein (oder mehrere) Problem(e) weniger.
Es ist auf jeden Fall gut, sich schon vor dem Einkaufen der Gitarrenanlage bzw. einzelner Komponenten darüber klar zu sein, was man wirklich braucht, denn eine goldene Regel stimmt immer:
Lieber wenige gute Komponenten als eine Vielzahl von Möglichkeiten, die man größtenteils nicht braucht und die einzeln betrachtet auch nicht so gut klingen.