Ich war gewarnt. Im Tonthenmen-Forum hatten gestandene Tonmeister kein gutes Haar an der Kategorie der Inline-Vorverstärker gelassen. Kernaussage: Wer einen ordentlichen Vorverstärker hat, braucht sowas nicht. Auch meine Berechnungen des Eingangsrauschens kamen zu keinem überzeugenden Ergebnis: Die von Hersteller angegebenen 9 Mikrovolt ausgangsseitig ergeben ein EIN von -126,7 dBu A-bewertet.
Aber ich brauchte mehr als 60 dB Gain, also was solls, bestellt.
Klanglich ist nichts auszusetzen. Das Rauschen schien mir aber gleich etwas zu hoch. Und tatsächlich, schon Midas MR18 und DL32 sind etwas besser (getestet mit MD 441). Bei meinem Mackie 402 VLZ3 war der Unterschied noch etwas deutlicher. Auch mein uralter Mackie 1202 (ca. 1990) ist deutlich besser in Puncto Rauschen.
An der Stelle fing ich an wochenlang richtig zu nachzuforschen und teile hier mein Guesswork. Einen Rechner für das thermische Rauschen findet man bei Sengpiel. Für die Umrechnung unbewertet zu A-bewertet nehme ich mir die Differenz der Daten des Schoeps VSR 5: 2,8 dB. Also -132,5 dBu A wären bei 200 Ohm ideal. Ein puristischer Vorverstäker solte ein Rauschzahl unter 1dB haben, demnach -131,5 dBA oder besser bei 200 Ohm. Ich habe auch genau einen gefunden, den Earthworks ZDT. Aber 1800 Euro für einen Kanal wollte ich dann doch nicht ausgeben. Es gäbe noch eine 500er Version für 1000 - immer noch zu teuer für mich. Während meiner Recherche nahm Earthworks auch noch den ZDT aus dem Programm, so dass ich nicht weiter damit hadern musste. Der Cranborne Camden ist erheblich erschwinglicher und müsste nach Daten für dynamische und Bändchen- Mikros zur Zeit der rauschärmste sein und sehr transparent. Wer eine 500er Lunchbox hat kann auch hier sparen - 350 Euro statt 700 Euro. Wo wir gerade be 500ern sind sollte auch der Midas Microphone Preamplifier 502 V2 genannt werden, mit 160 Euro nicht mehr viel teurer als der DM1 und auch besser.
Ein anderer Ansatz wäre es, mal nach einem besseren Interface Ausschau zu halten. denn in dieser Kategorie gibt es offensichtlich viel Spreu und wenig Weizen. Der DM1 ist vom Rauschen etwa auf dem Niveau eines XR18 oder X32 - das ist nicht schlecht aber auch nicht wirklich gut, schon gar nicht wenn man leise Signale mit dynamischen Mikros aufnehmen will. Wenn ein DM1 eine Aufwertung ist, muss das bestehende Interface grottenschlecht sein. Mehr als 60dB Gain sind selten zu finden. Das SSL 2 kam deshalb in die engere Auswahl. Sound Devices sind vom Rauschen für Kondensatormikrofone gut genug aber für dynamische Mikrofone wahrscheinlich nur einen Tick besser als der DM1.
So, jetzt bin ich nach Monaten immer noch unentschlossen. Ich konnte mich weder zum Kauf eines besseren Preamps noch eines High Gain Interfaces durchringen. Am Ende nehme ich in so Situationen lieber ein gutes Kondensatormikro weil dafür die 60dB meines MR18 dicke reichen.
Fazit:
Und wie soll ich den DM1 jetzt bewerten? Der Vergleich mit dem 30 Jahre alten Mackie ist schon ziemlich deprimierend. Wissen im Jahr 2021 nur noch ein paar Firmen wie man richtig rauscharme Preamps baut? Oder liefert die Phantomspeisung einfach nicht genug Strom? Ich bin klar unzufrieden und werde das Teil mittelfristig entsorgen. Aber die anderen Teile dieser Kategorie sind anscheindend noch viel schlechter, also wäre es unfair den offenbar Klassenbesten für die miserable Performance der Klasse abzustrafen. sE ist auch bisher der einzige Hersteller der Kategorie der überhaupt halbwegs seriöse Daten angibt.