Boss hat hier Vieles richtig gemacht bis auf eine unerklärliche Dusseligkeit: Wenn man schon die Bedienelemente gegenüber dem großen GT-1000 extrem reduziert, warum baut man die hier noch viel nützlichere Bluetooth-Unterstützung aus dem großen GT nicht ein? Deshalb also ein Stern weniger bei der Bedienung.
Gekauft hab ich das Teil für den Desktop als den "kleinen Kemper-Ersatz" für zwischendurch. Einfach, um eine komplette Rig-Kette in einem zierlichen Kistchen zu haben, die man auch mal eben vor einen Röhren-Amp stecken kann.
Mag angesichts des hohen Preises etwas snobby wirken, aber ich habe etliche Multi-Effektgeräte ausprobiert und verworfen:
Line 6? Nicht mein Sound, fand ich immer billig und dürftig. Headrush-Gigboard? Super Sound und Bedienung, aber als Multi-Rig-Ersatz irgendwie dann doch noch zu sperrig. Jüngst noch ein Versuch mit dem G11 von Zoom. Ich war früher Fan von G3 und G5, vor allem wegen der genialen Bedienbarkeit mit Drehknöpfen für jede simulierte Tretmine (Line 6 war damals mit den HD-Pods 300 bis 500 bei der Bedienung unterirdisch schlecht...). Das G11 indes klang erschreckend wenig besser als früher und war dann auch viel zu sperrig für die eigentliche Desktop-Idee. Auch ein Versuch mit dem Boss GT-001, das eigentlich für den Desktop-Betrieb konzipiert war, konnte vorn und hinten nicht überzeugen.
Aber das GT-1000 Core überzeugt rundum. Zunächst mal finde ich erfreulich, wie viele der 250 vorgefertigten Presets man ohne Änderung ertragen kann und wie viele davon richtig gut klingen. Die Bedienungsanleitung ist allerdings dermaßen auf faktische Beschreibungen konzentriert, dass sich der Sinn einiger Modi erst mal gar nicht erschließt. Die sind dann einfach, aber wofür und warum?
Der unscheinbare Unterschied zwischen Manual- und Memory-Mode gab gar den Ausschlag dafür, dass ihr diesen Text hier lest: Im standardmäßig eingestellten Memory-Mode tackert man mit den Up-Down-Tastern durch die Presets, mit CTL-1 kann man dann einen Effekt/Amp/usw. um/ab/anschalten. Oder einen Effekt kurzzeitig hochpushen. Nur ein Effekt, also nicht mal eben Hall, Echo, Zerre oder Chorus im selben Rig (Boss nennt Rigs Patch) dazugeben?
Na doch, man kann zwei externe Doppel-Taster anschließen (CTL-2 bis CTL-5). Aber. Die kosten extra, brauchen viel Platz und haben dann nicht die schöne Unterscheidung durch den farblich variierenden Leuchtstreifen am CTRL-1-Schalter. Den können aber die Up-Down-Schalter bieten. Und die werden auf dem Desktop auch gar nicht gebraucht, weil es zur Patch-Einstellung den zusätzlichen Select-Drehschalter gibt. Während es im Memory-Mode nur mit Mühe oder eher gar nicht gelingt, die Up-Down-Schalter umzuwidmen, ist das im Manual-Modus schon voreingestellt. Und man hat weiterhin alle Patches genauso unter dem Select-Knopf wie im Memory-Modus.
Es ist aber immer noch sehr empfehlenswert, sich das Boss Tone Studio zusätzlich auf den Rechner zu holen, um die sehr aufwendigen Patch-Ketten genauer in Augenschein zu nehmen. Dabei ist es dann ein Leichtes, Schalter und Effekte und so weiter live auszuprobieren und zu ändern.
Mein erstaunlichstes Erlebnis seit langem: Je länger ich mich mit dem Kistchen befasst habe, desto mehr Spaß macht es. Ok, ich bin halt Kemper-Fan und weniger ein Boss-Kenner, sodass ich einiges erst lernen musste. Andererseits: Schade, dass Bluetooth fehlt und letztlich hat man im Manuell-Modus ja noch 5 ungenutzte Taster unter jedem der 5 Drehknöpfe. Standards wie Hall soft, Hall doll, Delay zaghaft, Delay üppig könnte man da ja ganz global drauflegen, da vermisst man die Farbe unter dem Knopf nicht.
Und der Stomp-Modus ist auch nicht zu Ende gedacht: Man kann sich _einen_ Effekt besonders zurechtbasteln und dann als eigene Kreation speichern und in jedem Patch auf einen der FX-Plätze laden. Aber leider keine Kombis aus Chorus und Pitch o.ä. Das könnte einiges an CTL-Belegungen sparen. Aber vielleicht hab ich das auch nur noch nicht alles verstanden ;-).