Lange zögerte ich mit der Anschaffung: Die Rezensionen aus dem Erscheinungsjahr lasen sich durchwachsen. Besonders die Königsdisziplin stand in der Kritik: Das nahezu rucksacktaugliche Kleinteil reiche klanglich doch nicht an eine Hammond B3 heran. Schon richtig: Eine Badewanne ersetzt nicht so ganz die Meeresbrandung. Aber, möchte ich hinzufügen, eine Badewanne ist, um im Vergleich zu bleiben, verdammt nochmal besser als ein Wasserglas oder keins. Und nachdem ich (Sänger, Gitarrist, Heimstudio-Songbastler) mich mal wieder taubgescrollt hatte an irgendwelchen PlugIns, um unter hundert pophistorisch assoziationsreich betitelten Orgelsounds den gerade passenden zu vermissen, gab ich mir den Ruck und wagte den Griff zur Miniatur-Hardware.
Das äußerliche Spielzeug pfiff mir subito die Spucke weg.
Denn zweitens - was nicht die Hauptsache ist für mich, aber umso nachhaltiger begeistert - hat das (und damit: jedes) Reface von Yamaha die mit Abstand bestbefingerbaren Minitasten, die bislang je einem Kleinkeyboard verpasst worden sind. Dagegen fühlen sich andere Zwergtastaturen (von MicroKorg über Akai MPK Mini bis Arturia MicroBrute) an, als wären sie auf Kaugummi geklebt. Womit sich Sounds erfummeln lassen mögen. Die Reface-Tastaturen hingegen verführen zum Spielen: was ich absolut musikalisch meine.
Erstens jedoch (in erster Linie, will ich sagen) klingt das Ding Hölle - oder Himmel, und das mittels intuitivem Regelzug. Es eröffnen sich sofort Dimensionen. Prädikat: geil! So schnell! So leicht! So schweineschmier-sahneschwell-flutschig, so dröhneschön trocken, so himmelhoch gospel, so nachhallig traumschwer - von cheesy-dünn schillernd bis Breitwand-Karacho im (mit geschlossenen Augen) erstaunlich groß halluzinierbaren Kino. Für den ganz dreckigen Blues reicht die Onboard-Zerre (alleine und für sich) nicht. Aber sie reicht schon recht weit.
Einwurf/Disclaimer/Rechtfertigung: Yep, ich weiß, wie eine B3 live donnert, dröhnt, umfängt, verzaubert und umhaut. Ich war auch schon am Meer und darin. Unvergleichlich beides! Gebt mir eine B3 mit einem Schrank voller rotierender Lautsprecher und vier Roadies als Möbelpacker; dazu zwei allseits bereite Techniker bitte auch, die das Ding jederzeit reparieren... und den Kleinbus fahren, der dem schon vollgepackten Bandbus folgt - dann sattle ich um. Genauer: Ich erwöge es vielleicht. Wenn ich Organist wäre. Ich bin aber nur ein Songbastler, der seine Gitarrenriffs oder sonstigen Arrangements ab und zu mit einem Schuss Schweineorgel andickt oder einen Schweinetext mal PSP (pseudo-sakralpathetisch) unterlegen mag. Oder einer, der einen ganz bestimmten Orgelsound braucht, im Backing meist, aber das bitte sofort und ohne endloses Gesuche und Gefummel.
Genau dafür habe ich mit der YC-Zwergin, deren Halbmetertorso bequem in eine Pedalboardtasche passt, endlich die goldrichtige Mitnehm-Orgel, die sich sogar im nicht allzu überfüllten Bahnabteil übers Knie legen ließ. Nicht nur als Ideenschleuder: Das Ding rockt mein Studio. Statt in Menüs und Untermenüs tauche ich in Träume: die sofort klingen, und zwar so, wie ich jeweils will und brauche. Direkt am Instrument den Sound heranzuziehen, rasch und intuitiv erfühlt, belässt die Konzentration im musikalischen Geschehen und beflügelt den Schaffensfluss. Und was dabei herauskommt, ist hin- und mitreißend.
Nein, es ist bestimmt keine Wucht für Profiorganist*innen , und auf der Bühne käme ich mir damit vor wie ein Rodeo-Poser auf einem Schaukelpferd. Aber beim Aufnehmen und Abmixen, hinter oder unter den Riffs meiner Telecaster oder meiner Gibson - und zwischen den Zeilen meiner Vocals - wogen, schwellen und schillern die Orgelparts doch plötzlich irgendwie nach Meer, äh, mehr (natürlich nur). Ein dreckiges kleines schweinebisschen. Inklusive Leslie-Anmutung. Macht einfach saumäßig Spaß! Auch beim Hören: hinterher. Es klingt viel größer, als es ist. Und es ist: ein kleines, feines, hervorragend verarbeitetes und gut durchdachtes Musikinstrument mit, möchte ich mal so sagen, durchaus orgiastischem Aroma.