Worum geht es eigentlich?
Geliefert wird ein Messmikrofon von Neumann mit Kugelcharakteristik. Wenn man dem Mess-Schrieb glauben darf, und das tu ich, hat das Mikrofon eine nahezu perfekte Kugelcharakteristik über den gesamten Frequenzbereich hinweg. Damit spielen wir hier in einer komplett anderen Liga als die anderen Produkte in der Preisklasse.
Dazu ist natürlich die passende Klammer enthalten.
Gedruckte Sicherheitshinweise und Schnellanleitung auch in deutscher Sprache.
Nicht im Karton enthalten ist die Software, die gibt es kostenlos bei Neumann ( Seriennummer und ein Code, die auf dem Mikrofon aufgeklebt sind, schalten die Software frei und laden aus dem Netz eine Korrekturkurve für das Mikrofon (wie gesagt, die Richtcharakteristik ist nahezu perfekt, aber es mag ja doch kleine Abweichungen im statischen Frequenzbereich geben). Aufkleber also nicht entfernen!!!!
Das Mikrofon ist klein und leicht, aber aus Metall und so robust wie man das bei Neumann erwartet. Da kann z.B. IK Multimedia mit dem Plastik-Mikro nicht mithalten.
Mit dem Mikrofon, der Software und einem Audiointerface hat man dann schon fast alle Voraussetzungen erfüllt. Fehlt nur noch der KH 750 DSP Subwoofer und zwei Neumann-Lautsprecher, in meinem Fall die KH 120, analog an den SUB angeschlossen.
Wie bei Konkurrenzprodukten wie Sonarworks oder IK Multimedia ARC auch, werden über die Lautsprecher Testsignale ausgegeben, über das Neumann-Mikrofon gemessen und damit dann eine Korrektur berechnet, die den Frequenzgang linearisiert. Die Neumann-Software kann darüber hinaus noch Phasenbeziehungen zwischen SUB, Tieftöner und Hochtöner korrigieren. Phasenabweichungen entstehen beispielweise durch den unterschiedlichen Abstand der einzelnen Lautsprecher zum Hörer, aber auch an der Trennfrequenz der Frequenzweiche.
Im Gegensatz zu Sonarworks oder ARC speichert die Neumann-Software die Korrekturkurve im Subwoofer-Modul (Netzwerkverbindung zwischen SUB und Computer wird dafür vorausgesetzt).
Damit funktioniert die Korrektur zwar nur an der Neumann-Abhöre (Pech, wenn man noch andere Lautsprecher zum Gegenhören nutzt und die auch gern korrigieren will), dafür ist keine Software auf dem Computer mehr nötig (weder als Plug-In, noch als Hintergrund-Service, durch den das System-Audio geschickt werden muss). Und das bedeutet: keine nennenswerte zusätzliche Latenz beim Abhören.
Wie gut funktioniert das System?
Die Messung ist ein bisschen... manueller als z.B. Sonarworks. Bei Neumann muss man die Abstände mit dem Zollstock messen und es wird schlicht vorausgesetzt, dass man sie in einem echten gleichseitigen Dreieck aufstellt (Abstand zwischen den KH 120 = Abstand zwischen KH 120 und Sitzposition).
Und dann muss man wiederum mit dem Maßband arbeiten, um das Mikrofon auf Ohrenhöhe am Hörplatz aufzustellen und (in meinem Fall) einmal genau in der Mitte, 26 cm links davon, 26 cm rechts davon, 20 cm vor der Mitte, 26 cm hinter der Mitte, in der Mitte 20 cm unter dem Ohr und 20 cm über dem Ohr zu messen.
Dann wird das Ergebnis berechnet (ca 30 Sekunden) und man kann es auf dem System anhören (einfach ein bisschen Musik laufen lassen und auf der Ergebnisseite der Software an- und ausschalten). Bei Bedarf kann man noch manuelle EQ-Anpassungen ergänzen. Wenn es gefällt, kann man es auf den Subwoofer übertragen.
Dabei wird die Default-Einstellung überschrieben. Keine Möglichkeit, das Ergebnis als Preset unter eigenem Namen abzuspeichern. Wenn man die iPad-App zur Lautstärkeregelung nutzt, ist dort nirgends zu erkennen, dass man die Korrektur geladen hat. Wie gesagt, es ist ganz einfach das neue Default. Es gibt auch leider keine Möglichkeit, das Messergebnis auf dem Computer zu speichern, um es später neu aufrufen zu können. Wenn man das Neumann-Programm beendet, muss man erst wieder messen, bevor man etwas auf den SUB übertragen kann.
** Das sind aber die Eigenschaften der allerersten Version. Schauen wir mal, wie Neumann das über die Jahre weiterentwickelt. **
Hier ist Sonarworks klar besser, es misst die Abstände automatisch anhand von Klicksignalen und hilft einem während der Messung durch die kontinuierliche Messung, das Mikrofon am richtigen Ort zu positionieren. Und es gibt ein umfassendes und gutes Preset-System.
Und nun zur Kern-Frage: wie klingt es?
Mein Raum ist professionell behandelt. Nachhallzeit über den gesamten Frequenzgang gleichmäßig < 500ms. Keine Flatterechos. Vorn gedämpft, hinten diffus.
Die KH 120 mit dem KH 750 sind an sich schon sehr linear. Und in der Abstimmung neutral. In meinen vorherigen Messungen mit Sonarworks und manueller Messung und Anpassung über den KH 750 gab es nur kleinere Probleme zu beheben (ein Loch bei ca. 60 Hz von - 6dB und ein 2,5 dB-Loch bei 120 Hz).
Die hat auch die Neumann-Software korrigiert. Sie hat aber von sich aus eine (nicht lineare) Zielkurve vorgeschlagen, die genau meinen Bedürfnissen entspricht, die ich annäherungsweise in Sonarworks mit der B&O-Zielkurve realisiert hatte. Es gibt bei Neumann nur eine Darstellung der Zielkurve und des korrigierten Frequenzgangs, weshalb ich nicht genau sagen kann, wieviele Korrekturen vorgenommen werden. Allerdings stehen zur zusätzlichen Anpassung an den persönlichen Geschmack alle 8 Frequenzbänder des KH 750 weiterhin zur Verfügung. Nett!
Um es kurz zu machen: das Ergebnis macht die Neumann-Messung zum eindeutigen Sieger. Wahrscheinlich macht in diesem Fall die präzise Phasenkorrektur den Unterschied, die man allerdings auch nicht angezeigt bekommt. Vielleicht ist die Korrektur im Frequenzgang auch nur noch einmal präziser. Ich habe persönlich mit der Low Latency-Korrektur von Sonarworks so meine Probleme, da klang der integrierte EQ im KH 750 schon immer neutraler, mindestens so gut wie der Linear Phase-Modus von Sonarworks, aber ohne die Latenz.
Jetzt mit der automatischen Messung und Korrektur im SUB bin ich am Ziel angekommen.
Ich kann so noch präziser die Dynamikverhältnisse und Probleme im EQ hören, Delay und Reverb sind einfach da, man muss sich nicht anstrengen, um sie zu beurteilen. Und alles, was mit dem Panorama zu tun hat, kann man auf den cm genau orten.
Eine leichte Rauhheit, die es zuvor beim Gesang gab - weg. Eine leicht diffuse Phantommitte - weg. Der Sweetspot ist gefühlt größer geworden, genau wie die Sprachverständlichkeit. Bisher konnte ich niemandem auf dem Besucher-Sofa hinter dem Chefsessel etwas vorspielen, weil da der Bassbereich deutlich anders klang als auf dem Chefsessel.
Der gesamte Bassbereich klingt jetzt noch kontrollierter, man hört richtig schön, wieviel Smack und Body eine Snare hat und wo sich Kick und Bass trennen. Und der Klang auf den billigen Plätzen ist sehr nah an dem Klang auf dem teuersten Sitzplatz im Raum.
Wir sprechen insgesamt nicht über Unterschiede wie Tag und Nacht. Wie gesagt, auch ohne Korrektur klingt Neumann in meinem Raum schon sehr neutral und ich habe vorher noch nie so einen natürlichen Klang gehabt wie mit diesem System.
Das mag in akustisch schwierigen Räumen einen größeren Unterschied machen. Aber es ist eine definitiv hörbare Verbesserung in allen Bereichen.
Je nachdem, welchen Song man sich anhört, ist der Unterschied klein oder doch sehr sehr deutlich. Es gibt Songs (siehe Daft Punk), die einfach auf jedem System funktionieren. Da ist der Unterschied mit und ohne die Kalibrierung gering. Es gibt aber eben auch Songs, die nicht auf jedem System funktionieren und da habe ich nach der Kalibrierung jetzt eine deutlich bessere Referenz und höre viele Dinge, die mich auf schlechteren Lautsprechern stören, deutlicher heraus (z.B. wenn ein Element zu dynamisch ist und teils heraussticht, teils verschwindet). Oder Elemente, die auf kleinen System wummern erzeugen.
Für mich gibt es jetzt kein Argument mehr für eine Softwarelösung. Mein KH 750 ist mit dem Messmikrofon das Rundum-Sorglos-Paket. Hut ab nach Berlin!