Um den Rechner audiomäßig an die Außenwelt anzubinden, benötigt man ein Audio-Interface. Ohne eine professionelle Audioschnittstelle ist Ihr Computer für Recording nicht zu gebrauchen. Das Audio-Interface ist im Homestudio damit eine der wichtigsten Komponenten überhaupt. Es ist so wichtig, dass wir ihm auch einen eigenen Online-Ratgeber gewidmet haben, der unter dem Titel Online-Ratgeber Audio-Interfaces zu finden ist. Dennoch wollen wir Dir auch im Rahmen dieses Ratgebers einen kleinen Überblick verschaffen, was es heute für Lösungen gibt, welche Leistungsmerkmale aktuelle Interfaces haben und nach welchen Kriterien Du Dein Interface auswählen solltest.
Eines der wichtigsten Leistungsmerkmale eines Audio-Interfaces ist die verwendete Treiberarchitektur. Onboard- und Multimedia-Soundkarten sind gar nicht so sehr wegen der schlechteren Klangqualität für Recording ungeeignet. Die ist in Wirklichkeit besser als ihr Ruf. Das Hauptproblem sind die System-Treiber, auf die solche Karten zugreifen. Besonders die Windows-eigenen Treiber verursachen sehr hohe Latenzen. Möchtest Du beispielsweise Deine Vocals zu einem bestehenden Playback aufnehmen, kommt es zu einem zeitlichen Versatz von nicht selten 500 ms oder mehr zwischen Playback und Gesang. Dieser Versatz macht eine vernünftige Gesangsperformance unmöglich.
Audio-Interfaces arbeiten daher nicht mit Windows-eigenen Treibern, sondern mit ASIO-Treibern (bei Mac sind es Core Audio-Treiber). ASIO steht für Audio Stream Input Output und wurde von der Firma Steinberg entwickelt. ASIO-Treiber ermöglichen eine direkte, schnelle Kommunikation der Recording-Software mit dem Audio-Interface. Hierdurch können die Latenzen in einen niedrigen, einstelligen Millisekunden-Bereich gedrückt werden.
Für den Einbau in den Rechner bieten viele Hersteller PCIe-Audiokarten an. Der schnelle PCIe-Datenbus ist grundsätzlich für Audio-Anwendungen mit geringen Latenzen sehr gut geeignet. Die Audio-Ein- und Ausgänge sitzen entweder direkt auf dem Montageblech oder werden mit Breakout-Kabeln oder -Boxen nach außen geführt. Ein Problem bei PCIe-Karten können elektromagnetische Störeinstreuungen sein. Das Innere eines PC-Gehäuses ist bzgl. elektrischer und magnetischer Störfelder sowie hochfrequenter Störstrahlung eine recht lebensfeindliche Umgebung für eine Audiokarte.
Populärer als PCIe-Karten sind heute die extern über USB 2.0 / USB 3.0 angebunden Audio-Interfaces. War vor einigen Jahren für externe Audio-Interfaces noch die Firewire 400 Schnittstelle die erste Wahl, sind nun viele Hersteller zur USB 2.0 Schnittstelle gewechselt, nachdem die anfänglichen Schwierigkeiten der Hersteller, performante und stabil laufende USB 2.0 Interfaces zu bauen, überwunden haben. Hinzu kommt, dass Apple die Firewire 400/800 Schnittstelle mittlerweile durch die deutlich leistungsstärkere Thunderbolt-Schnittstelle ersetzt hat. Ganz abgeschrieben ist Firewire aber dennoch nicht, da Thunderbolt abwärtskompatibel zu Firewire 800 ist. Alles was man dazu benötigt, ist ein entsprechendes Adapterkabel. Interessanterweise hatte sich die Firewire 800 Schnittstelle im Audiobereich nie wirklich etabliert. Das einzige Firewire 800 Audio-Interface, das jemals die Marktreife erlangt hat, ist das Fireface 800 der Firma RME. Alle anderen Hersteller setzen bei Firewire nach wie vor auf Firewire 400. Firewire 400 und 800 sind aber ebenfalls über Adapterkabel miteinander kompatibel.
Interfaces mit Thunderbolt-Schnittstelle gewinnen auf dem Markt immer größere Bedeutung.
Viele neue Rechner sind heute mit der leistungsstarken USB 3.0 Schnittstelle ausgerüstet. Was in der Computerwelt bereits Standard ist, hat sich in der Audiowelt nur schwer durchsetzen können. Es dauerte viele Jahre, ehe Hersteller von Audio-Interfaces mit USB 3.0 Schnittstelle auf den Mark brachten. Nach wie vor wird meist noch auf die USB 2.0 Schnittstelle zugegriffen. Nun haben die Macher der USB 3.0 Spezifikation zwar eine Abwärtskompatibilität zu USB 2.0 vorgesehen, in der Audiopraxis bereitet diese allerdings oftmals noch Probleme. Scheinbar hängt es sehr vom USB-Controller und dessen Treiber ab, wie stabil und performant das Audio-Interface läuft. Beim Kauf eines neuen Rechners für's Homestudio sollte man daher auf den USB-Controller ein besonderes Augenmerk legen. Einige Interface-Hersteller wie RME haben auf ihren Webseiten Informationen zu getesteten Rechnersystemen mit Hinweisen zu Chipsatz und USB-Controller bereitgestellt. Eine Abwärtskompatibilität von USB 3.0 zu USB 1.1 muss übrigens laut Spezifikation nicht mehr bestehen. Beim Rechnerkauf sollte man generell auch darauf achten, dass dieser noch ein bis zwei klassische USB 2.0 Schnittstellen zur Verfügung stellt, um auch zu Interfaces mit USB 1.1 Schnittstelle kompatibel zu sein.
Die USB-Schnittstelle des Rechners kann das Interface grundsätzlich über die USB-Verbindung mit Strom versorgen (Buspower). Allerdings ist die bereitgestellte Leistung mit 5 V / 500 mA stark begrenzt. Aus diesem Grund werden nur zwei- bis vierkanalige Interfaces mit höchstens zwei Mikrofonvorverstärkern auf diese Weise mit Strom versorgt. Für Interfaces mit mehr als zwei Preamps wird eine Stromversorgung über Netzteil notwendig. Firewire kann im Vergleich mit bis zu 33 V / 1,5 A eine deutlich höhere Leistung bereitstellen. Aber auch hier ist es in der Regel so, dass die Hersteller ihre größeren Interfaces mit Netzteil ausliefern. Einige Hersteller bieten auch beide Möglichkeiten parallel an.
Ein weiteres Problem der limitierten Stromversorgung durch Buspower ergibt sich beim Kopfhörerausgang solcher Audio-Interfaces. Die verfügbare Leistung reicht im Allgemeinen nicht aus, einen Kopfhörer mit adäquater Lautstärke zu betreiben. Hörer mit höherer Impedanz klingen daher häufig relativ leise, während niederohmige Kopfhörer bereits merklich verzerren.
Willst Du in Deinem Homestudio Mikrofonaufnahmen machen, benötigst Du ein Interface mit Mikrofonvorverstärkern. Diese Preamps sollten möglichst rauscharm sein, einen hohen Verstärkungsfaktor ermöglichen und eine 48 V Versorungsspannung (Phantomspeisung) bereitstellen. Leider schwächeln bei der Verstärkung viele der eingebauten Preamps. Einige Modelle schaffen gerade mal 40 dB Gain, was für viele Anwendungen schlicht zu wenig ist. Bessere Modelle schaffen zumindest 50 bis 60 dB, einige wenige auch mehr. Klanglich sind die Preamps hingegen meistens gut bis sehr gut und auch das Rauschverhalten genügt in der Regel professionellen Ansprüchen.
Wenn Du planst, ein Audio-Interface anzuschaffen, solltest Du Dir Gedanken dazu machen, wie viele Audio Ein- und Ausgänge benötigt werden. Ein kleines Projektstudio für einen Singer bzw. Songwriter kommt in der Regel ein Interface mit zwei Mikrofonkanälen gut zurecht. Willst Du dagegen ein komplettes Schlagzeug mit mehreren Mikrofonen aufzunehmen, benötigst Du ein Interface mit vielen Mikrofonkanälen. Auch eine entsprechend hohe Anzahl an Line-Eingängen kann notwendig sein, wenn Du zum Beispiel viele Synthesizer gleichzeitig einbinden möchtest. Auch ein bis zwei hochohmige Instrumenteneingänge sollten in der Regel nicht fehlen. Allerdings muss man an dieser Stelle kritisch anmerken, dass diese Hi-Z-Eingänge bei vielen Interfaces sehr störanfällig für elektrische Felder sind und oftmals brummen. Insofern kann es manchmal auch besser sein, eine DI-Box zu verwenden und diese an einen freien Mikrofon-Eingang am Interface anzuschließen.
Ausgangsseitig benötigt man mindestens zwei Mono-Ausgänge (Main Out), um ein paar aktive Lautsprecher als Abhörmonitore anzuschließen. Viele mehrkanalige Interfaces bieten aber auch eine deutlich höhere Anzahl an analogen Line-Outputs. Dies ist hilfreich, wenn man z.B. Signale an verschiedene Musiker verteilen muss. Darüber hinaus gehört ein Kopfhöreranschluss zur Standardausstattung eines Interfaces. Dieser Anschluss gibt in der Regel das gleiche Signal aus wie der Main Out ab. Allerdings sollte der Kopfhörerweg über ein eigenes Lautstärke-Poti verfügen.
Viele Interfaces verfügen neben den analogen Anschlüssen auch über digitale Audiowege. In der Regel handelt es sich um zweikanalige S/PDIF-Schnittstellen, die entweder elektrisch coaxial über Cinch oder optisch über Toslink ausgeführt sind. Für mehrkanalige, digitale Audioübertragung haben viele Interfaces auch eine ADAT-Schnittstelle, über die standardmäßig acht Audiokanäle per optischem Kabel übertragen werden können. Diese Schnittstelle eignet sich vortrefflich, die analoge Kanalanzahl mit einem AD/DA-Wandler zu erweitern.
Greifen wir noch einmal das Beispiel Aufnahme von Gesang zu einem bestehenen Playback auf. Es muss nun möglich sein, dem Sänger oder der Sängerin das Playback auf einen Kopfhörer zu schicken und gleichzeitig auch den Gesang mit auf die Kopfhörer zu legen. Nun könnte man ja grundsätzlich das Mikrofonsignal, welches in der Recording-Software augezeichnet wird, zusammen mit dem Playbacksignal wieder ausspielen und auf den Kopfhörer legen. Das Problem sind wieder einmal die Latenzen. Trotz ASIO sind die Latenzen bei dieser Vorgehensweise zu lang, denn das Signal muss zunächst gewandelt und von der Software verarbeitet werden, bevor es auf den Ausgang geschickt werden kann.
Die Interface-Hersteller haben sich daher etwas anderes einfallen lassen. Direct-Monitoring heißt das Zauberwort. Direct-Monitoring kann entweder über die Audio-Interface-Hardware oder softwaremäßig realisiert werden. Beim Hardware-Direct-Monitoring wird das analoge Eingangssignal noch vor der AD-Wandlung auf den Ausgang geschickt und addiert sich dort zeitsynchron mit dem Playback-Signal. Eine Latenz kann so nicht wirksam werden. Dieses Verfahren funktioniert sehr gut bei kleinen Interfaces mit nur ein bis zwei Kanälen. Bei Interfaces mit vielen Kanälen stößt diese Arbeitsweise an seine Grenzen, da es in diesem Fall wünschenswert ist, die verschiedenen Eingangssignale in einem definierbaren Mischungsverhältnis auf den Ausgang zu schicken.
Hier kommt Software-Direct-Monitoring ins Spiel. Dabei handelt es sich um einen separaten Softwaremixer, in dem unabhängig von der Recording-Software eine Mischung zum Abhören erstellt wird. Dabei wird das Playback-Signal ohne nennenswerten Zeitversatz mit den Eingangssignalen gemischt. Häufig werden die Berechnungen von einem zusätzlichen Prozessor (DSP = Digital Signal Processing) im Interface ausgeführt, wodurch die Verzögerungszeiten extrem gering bleiben.
Viele Audio-Interfaces verfügen neben den zahlreichen Audioschnittstellen auch über eine MIDI-Schnittstelle zum Anschluss eines MIDI-Keyboards oder anderer MIDI-Peripherie.
Einige Hersteller nutzen den für das Software-Monitoring vorhandenen DSP-Chip, um für das Abhören auch Effekte, wie EQ, Dynamics oder auch Hall- und Delay-Effekt zur Verfügung zu stellen. Das ist sehr praktisch, wenn der oder die Sänger(in) z. B. für eine gute Performance Hall auf dem Kopfhörer haben möchte. Über die Recording-Software war dies ja nur mit starken Latenzen möglich. Über den Software-DSP-Mischer ist das kein Problem.
Einige Hersteller ermöglichen, dass ihre Interfaces über die Datenschnittstelle kaskadiert werden können. Dies ist ein Leistungsmerkmal, dass vor allem bei PCIe-Audiokarten und einigen Firewire-Interfaces zu finden ist. Bei USB-Interfaces gibt es dieses Feature dagegen kaum.